19 Jahre und viel Experimentierfreude

Tobias Haas verlässt die Seelsorge bei Menschen mit Behinderung und wird Schuldekan.

Nach 19 Jahren in der Seelsorge bei Menschen mit Behinderung hat Tobias Haas sehr viel zu erzählen, bei seiner Verabschiedung am 25. Juli wird er es anhand einiger Gegenstände aus diesem Schatzkoffer tun, welche die Besucher auswählen dürfen

Und wenn mal etwas nicht klappt? Diese Angst konnte den Religionspädagogen und Gemeindereferenten Tobias Haas nicht stoppen. 19 Jahre lang hat er in der katholischen Seelsorge bei Menschen mit Behinderung viel Experimentierfreude bewiesen – und sein Arbeitgeber ließ ihm die Freiheit dazu. Seine Freude an der Aufgabe wurzelt in der eigenen Familiengeschichte. Nun wird Tobias Haas in der Diözese Rottenburg-Stuttgart „Schuldekan für sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren und Inklusion“.

„Matthias muss immer dabei sein.“ Das war für die Eltern von Tobias Haas völlig klar, auch wenn Matthias mit dem Down-Syndrom lebt. Er war der jüngste der sechs Geschwister, die zusammen in Schramberg aufwuchsen. Der Vater hatte jede Menge kirchliche Ämter inne. „Der Umgang mit Matthias hat mich geprägt“, sagt Tobias Haas. Er wurde Ministrant, wuchs in die kirchliche Jugendarbeit hinein. Mit Menschen umzugehen und dies mit dem Glauben zu verbinden, das konnte er sich auch für seinen Beruf vorstellen. Schon im Studium wählte er den Schwerpunkt „Sonderschule“ – so hieß das damals noch. Katholische Pilotstellen für die Seelsorge bei Menschen mit Behinderung gab es damals nur in Stuttgart und Ulm. Heute gibt es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 14 solche Stellen.

Tobias Haas kam 2002 nach Esslingen, als die dortige Stelle ganz neu war. So willkommen er dort war, erinnert er sich an den holprigen Anfang, etwa in der Schule: „Was machen mir mit ihm? Wer nimmt ihn?“ Es brauche ein paar Jahre, bis eine solche Stelle im Bewusstsein ankomme. Bald hieß es dann aber von vielen Seiten: „Den will ich haben!“ Denn Tobias Haas hatte viele Netze gespannt, vor allem zwischen Schule, Kirche und Trägern der Behindertenhilfe. Er dachte immer von den Kindern mit Behinderung aus und erklärt das mit einem Spiel: „Wie passen ganz viele Kinder auf wenige Teppichbodenplatten, wenn ein Kind im Rolli sitzt? Zuerst den Rolli in die Mitte, dann alle anderen drumherum. Nicht zuerst alle anderen auf die Platten und dann versuchen, den Rolli noch irgendwie obendrauf zu packen.“

„Wir haben gedacht, für unsere Tochter fällt die Erstkommunion aus“, sagte eine Familie zu Tobias Haas. „Aber jetzt sind Sie ja da.“ Er überlegte, wie die Vorbereitung für die Tochter möglich war, etwa mit einer Schatzkiste mit einem Spiegel drin statt mit Büchern. Später beriet er Kirchengemeinden im ganzen Landkreis Esslingen bei dieser Vorbereitung. Mit einem Redaktionsteam stellte er die inklusive Arbeitshilfe „Meine Schatztruhe Erstkommunion“ zusammen.

„Inklusion ist ein Weg, das braucht Zeit“, sagt Tobias Haas. Er hat die Wellen beobachtet: Zuerst die Begeisterung, jetzt dürfen alle in die Regelschule, dann bei manchen die Enttäuschung, Inklusion funktioniere ja gar nicht. Doch mit guten Rahmenbedingungen lasse sich vieles erreichen: „Diese Rahmenbedingungen sind in der Kirche oft viel besser als in der Schule.“ Amüsiert erzählt Tobias Haas von mancher Organisation: „Brauchst du einen Beamer, werde ich gefragt, und bestelle stattdessen einen Rollstuhl.“ Tobias Haas brachte auch die inklusive Familienfreizeit zu Ostern ins Rollen, immer vier Tage lang im Familienferiendorf Schramberg, mit Familien mit und ohne Kinder mit Behinderung. Bald war Werbung unnötig, die Freizeit war regelmäßig überbucht, die Familien empfanden sie als Oase.

Die „Bibel in leichter Sprache“ habe auch seinem eigenen Glauben geholfen, erzählt Tobias Haas. So manche bekannte Bibelstelle, zuvor überlesen, sei ihm dadurch neu aufgegangen. Er ist zudem überzeugt, dass in den 19 Jahren nicht alles nur mit menschlichen Dingen zuging: „Da hat manchmal ein guter Geist von oben geholfen.“ Er kann beruhigt weiterziehen, seine Nachfolgerin steht fest.

Vor seinem Abschied hat Tobias Haas einen großen Koffer gepackt. Bei der Feier am 25. Juli dürfen  die Besucher aus diesem Koffer einige Gegenstände aussuchen, zu denen er dann etwas erzählt. Was ist mit dem kleinen Affen? „Er erinnert an den Weltjugendtag in Köln, wir waren mit zwei Kleinbussen dort. Manche hatten noch nie außerhalb von zuhause übernachtet, einer hatte zehn oder 15 Kuscheltiere dabei. Vor der Übernachtung auf dem Festgelände haben wir ihn erfolgreich auf zwei heruntergehandelt.“

Ob es bei der Verabschiedung auch etwas zum Lachen gibt? Das könnte schon sein, schließlich gehört Tobias Haas nebenher zum bekannten kirchlichen Kabarettensemble „Die Maulflaschen“.

Am 24. Juli wird Tobias Haas mit geladenen Gästen verabschiedet, weitere Veranstaltungen mit ihm sind unter www.wir-sind-mittendrin.de zu finden.

Kontakt: Tobias Haas, Tel. 07153 36733, SMmB.Esslingen-Nuertingen(at)drs.de

 

Foto und Text: Peter Dietrich

 

Das Abendlob zur Verabschiedung finden Sie hier.